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Seben EQ EM 10 Montierung

Im Mai 2005 erhielt ich diese von Seben neu im Programm aufgenommene Montierung für einen kurzen Test. Es handelt sich auf den ersten Blick erkennbar um einen der inzwischen recht Zahlreichen "GP-Clones", die sich im äusseren Erscheinungsbild und bezüglich der Teleskopaufnahme am Vorbild der Vixen Great Polaris orientieren. Das Modell von Seben wird recht günstig angeboten und ist bereits mit einer Motorisierung in 2 Achsen ausgestattet.

Der erste Blick gilt dem Stativ. Es handelt sich bei dem Stativ um ein ausziehbares Metallrohr-Stativ. Die Stativfüsse, die Verbindungsstücke und auch die Endstücke am Stativkopf sind allerdings aus Kunststoff. Der Stativkopf mit der Montierungsaufnahme ist wieder aus Alu-Guss. Eine kleine Ablageplatte mit etwa 16cm Durchmesser sitzt auf der Versteifungsspinne zwischen den Stativbeinen. In der Ablageplatte sind Löcher zum einstecken von 1,25" und 24,5mm Okularen eingestanzt, was mir persönlich nicht so gut gefällt. Filter und Kleinteile, wie sie im Zubehör immer wieder enthalten sind, sind hier nicht gut aufgehoben. Ausserdem wäre es unpraktisch, die Okulare mit Schutzkappen in die Löcher zu setzen, so daß man während der Beobachtung die Okulare stets offen liegen lässt. Wer im Dunkeln nach einem Okular greift, hinterlässt ab und zu mal einen Fingerabdruck auf einer Linse und die Okulare setzen natürlich auch leicht tau an.
Das Stativ selbst steht mit eingeschobenen Beinen recht sicher, ausgezogen beginnt es aber zu vibrieren. Die Klemmschrauben für die Stativbeine sollten auch nicht zu fest angezogen werden, da sonst das Übergangsstück aus Kunststoff beschädigt werden könnte. Insgesamt scheint mir das Stativ etwas stabiler als die meisten Stative dieser Montierungsklasse aus Alu-Profilrohren zu sein. Schade trotzdem, daß man an den kritischen Übergangsstellen Kunststoff verwendet hat. Alu-Guss wäre nicht nur vertrauenerweckender, sondern auch haltbarer.
Der Übergang zwischen Stativkopf und Achsenkreuz ist gleichzeitig das Azimutlager. Die Verstellung mit den Azimut-Schrauben ist etwas grob und rucklig, vielleicht weil hier einfach Hammerschlaglack auf Hammerschlaglack gleitet, während zum Beispiel die Great Polaris ein ins Alu eingeschliffenes Gleitlager hat. Der Azimut-Verstellbereich ist nicht besonders groß, wird aber in der Praxis ausreichen.
Das Achsenkreuz hat eine kleine Dosenlibelle zur waagerechten Ausrichtung, was die Poljustage etwas erleichtern könnte. Die Einstellung der Polhöhe funktioniert mit zwei Schrauben exakt nach GP-Vorbild. Die Ablesemarke dicht am RA-Motorgehäuse ist aber weit von der Skala entfernt und nicht nur leicht zu übersehen sondern auch kaum genau abzulesen. Für eine genauere Aufstellung wird man also den Polsucher heranziehen.

Polhöhenskala
Weit weg von der Skala - die Ablesemarke für die Polhöhe.

Der Polsucher kann zunächst mal nach GP-Vorbild auf Datum und Uhrzeit eingestellt werden, wobei die Skalen nicht besonders schön befestigt sind, das ganze wirkt klapprig. Die Strichplatte des Polsuchers ist dagegen etwas aufwendiger. Für den Südsternhimmel findet sich die polnahe Sternkette von Chi über Sigma bis Tau Octantis, so daß der Polsucher recht leicht auch ohne die Datumsskalen einzustellen ist. Für den Nordhimmel ist die Strichplatte hingegen schwer zu verstehen. Ein kleiner Kreis in der Mitte des Fadenkreuzes markiert den Himmelspol, während drei Kreise den Abstand von Polaris zum Himmelspol je nach Jahreszahl angeben. Der innerste Kreis gilt für das Jahr 2020, der mittlere für 2010 und der äussere galt zur Jahrtausendwende. Bei etwa 2° Polabstand findet man zwei weitere Kreisabschnitte beschriftet mit den Jahreszahlen 2000, 2010, 2020. Warscheinlich ist dies nur eine Art "Erklärung" für die eigentlichen Kreise auf denen Polaris eingestellt werden muß, denn der nächste hellere Stern findet sich erst in 3° Abstand vom nördlichen Himmelspol. Am Nordhimmel kommt man also nicht ohne die Einstellung der Datumsskalen des Polsuchers aus. Betrachtet man diese Datumsskalen aber nun genauer, so stellt man fest, daß die Datumsskala einfach lose und frei drehbar ist. Der RA-Teilkreis hat zwar eine Klemmschraube, mit der dieser bei einer GP-Montierung auf der Null-Position festzuklemmen ist, bei dieser Montierung aber klebt der Teilkreis so fest im zähen Fett, daß er sich mit der Klemmschraube gar nicht befestigen lässt und so bei jeder Drehung der RA-Achse mitdreht. Im Grunde genommen zeigt sich, daß die Datumsskalen nicht richtig funktionieren und daß der Polsucher deshalb eigentlich für eine genaue Poljustage unbrauchbar ist. Man braucht ein Hilfsmittel, zum Beispiel eine vorgerechnete Tabelle, um zu wissen welche Position der Polarstern auf dem Justagekreis einnehmen soll. Weiterhin ist der Polsucher zwar fokussierbar, aber zumindest für kurzsichtige ist dieser Fokussierbereich nicht besonders groß. Mit Brille dagegen ist der Einblick sehr schlecht und man muß mühsam den Kopf bewegen um mal diesen oder jenen Teil der Strichplatte erkennen zu können.


Wieder einmal: Schlecht umgesetzte Kopie eines GP-Polsuchersystems

Das Achsenkreuz an sich erinnert auch wieder sehr Stark an die GP, wobei aber die Motorgehäuse deutlich anders konstruiert sind, nämlich auf einer fest angegossenen Basisplatte mit einer Kunststoff-Abdeckung darüber. Beide Achsen tragen, wie für die RA-Achse bereits erwähnt, einen Teilkreis. Für Rektaszension mit 10 Minuten Teilung, für Deklination in 2° Teilung. Der Deklinationskreis ist dabei wesentlich besser einzustellen, als der Fettverklebte RA-Teilkreis.
Die Teleskopaufnahme entspricht weitestgehend der von der Great-Polaris bekannten Aufnahme für Prismenschienen, die bei Teleskopen bis 8" Größe sehr verbreitet ist. Wie bei der GP gibt es eine große Klemmschraube mit Kunststoffgriff und eine kleine Sicherungsschraube. Die Gegengewichtstange dreht mit der Deklinationsachse mit, was besonders für die Fotografie mit einer Kamera an der Gegengewichtstange erfreulich ist.
Die Fotografie und die dafür notwendige Poljustage mit dem Polsucher ist überhaupt nur deshalb Thema, weil dies im Prinzip mit dieser Montierung möglich ist. Die 2-Achsen-Motorisierung reicht dafür aus und die Tragkraft der Montierung ist zumindest zur Fotografie mit einem kleinen und leichtem Gerät, maximal allerdings ein leichter 5" Newton mit einem wirklich sehr leichten Leitfernrohr, ausreichend. Für den Einstieg in die Fotografie mit einer Kamera mit Normalobjektiv oder kleinem Tele (135mm) ist die Montierung auf jeden Fall gut. Also lohnt es sich, auch einen Blick auf die Motorisierung zu werfen.

Gleichstrom-Getriebemotoren
Gleichstrom-Getriebemotoren - ungewöhnlich, aber durch pfiffige Steuerung ausreichend

Diese Motorisierung ist in jedem Falle unkonventionell. Es werden nämlich einfach Gleichstrom-Getriebemotoren verwendet. Während solche Motoren sich zusammen mit einer Lichtschranke zur Drehzahlmessung "Servo-Motoren" nennen dürfen, fehlt aber eben diese Lichtschranke. Die Motoren sind auch nur 2-polig angeschlossen. Dennoch bietet die Steuerung wie von einer Schrittmotorsteuerung gewohnt Einstellungen für 2x, 4x, 8x und 16x als Korrekturgeschwindigkeiten. Möglicherweise kann die Elektronik der Steuerung den Stromfluss im Kollektor messen und so die Drehzahl ermitteln. Auch unter Belastung bleibt nämlich die Drehzahl der Motoren konstant, soweit das mit einfachen Mitteln feststellbar ist. Die Steuerung und Motorisierung scheint also trotz des sehr ungewöhnlichen und sicher sehr kostensparenden Aufbaus durchaus genau genug für die Fotografie zu sein. Allerdings gibt es auch hier ein paar Kleinigkeiten, die etwas praxisfremd erscheinen. Die Steuerungsbox kann zunächst mal nur über das Batteriefach mit 6x 1,5V Mignon Batterien (AA) mit Strom versorgt werden. Der Anschluß für ein Netzteil, den man sonst an der billigsten Taschenlampe findet, fehlt einfach. Man wird sich also mit Batterien oder NiMH-Akkus behelfen müssen und hoffen, daß die Kälte einer typischen Beobachtungsnacht diese nicht zu stark angreift, so daß einigermassen erträgliche Laufzeiten zur Verfügung stehen. Seitlich an der Steuerungsbox findet sich der Einschalter. Demgegenüber findet man den Wahlschalter für die Korrekturgeschwindigkeit. Dazu kommt ein angenehm großes Kreuz aus den vier Richtungstasten. Die Tasten sind auch mit Handschuhen sicher zu treffen. Ungewöhnlich ist, daß oberhalb des "Steuerkreuzes" noch zwei weitere Tasten "N" und "S" zu finden sind. Es sind die Richtungswahltasten für den Betrieb auf der Nord- oder Südhalbkugel. Nach dem Einschalten der Steuerung muß zunächst eine dieser Tasten gedrückt werden, ehe der RA-Motor anläuft. Dadurch kann man die Steuerung auch für Tagbeobachtung nutzen, indem man einfach diese Taste nicht drückt. Die Steuertasten funktionieren nämlich weiterhin. Der Nachteil dieser Schaltung ist, daß man sehr leicht an eine dieser Tasten kommen kann und so plötzlich die Laufrichtung der Montierung umschaltet. Da man recht selten zwischen Nord- und Südhalbkugel wechselt, hätte es ein Wahlschalter ähnlich des Geschwindigkeitsschalters auch getan.


Die Steuerung ist nicht ganz durchdacht aber brauchbar.

Etwas störend sind an der Steuerung auch die verschiedenen Leuchtdioden. Während der Druck auf die Richtungstasten durch rote LEDs angezeigt wird und auch die Power-LED rot leuchtet, wird die Richtungswahl für Nord- oder Südhalbkugel ungeschickt durch eine grüne LED angezeigt. Diese stört beim Blick auf die Steuerung die Dunkeladaption. Wie so oft werden die Sternfreunde wieder zum schwarzen Edding greifen, um die störenden LEDs schwarz zu übermalen. Schön ist eine passende Halterung für die Steuerung am Stativbein, wo der durch die Batterien recht schwere Kasten eingesteckt werden kann. Durch eine clevere Verdrahtung, und weil natürlich für jeden Motor nur 2 Adern benötigt werden, führt nur ein einziges Spiralkabel von der Steuerung zum RA-Motor. Der DE-Motor wird dann mit einer Durchschleifbuchse des RA-Motors verbunden.
In wieweit die Motorisierung wirklich zur Astrofotografie taugt, kann ich im kleinen Rahmen dieses Tests nicht feststellen. Ich bin aber zuversichtlich, daß man mit kleinen und leichten Teleobjektiven bis hin zu 300mm oder sogar 500mm Brennweite recht ungestört arbeiten kann. Allerdings, sowohl RA, als auch DE-Motor lassen beim Betrieb ein schabendes Geräusch hören, was nicht auf eine besonders gute Verarbeitungsqualität schliessen lässt. Noch ein kleines positives Detail ist über die Motorsteuerung zu erwähnen, die Motoren sind nämlich über kleine Schnellkupplungen einfach durch lösen einer Schraube abzukoppeln, so daß man die beigelegten Handräder zur Einstellung der Montierung verwenden kann. Gut, wenn unverhofft die Batterien leer sind.

Beladen mit einem 150/750 Newton zeigt sich leider das von GP-Clones gewohnte Bild: Leichtes Spiel im RA-Lager, wodurch es zu einem leichten Kippeln kommt. Der Effekt ist nicht stark und beim 150/750 Newton auch kaum störend. Unbequem aber dürfte es mit einem langen Refraktor werden, zum Beispiel mit einem 90/1000, da der größere Hebel hier kräftiger auf das Lager drückt und das Spiel natürlich auch deutlicher spüren lässt. Auch der Übergang zwischen Stativbeinen und Montierungsaufnahme ist schwammig, was zwar einerseits Schwingungen dämpft, andererseits aber die Gesamtstabilität nicht fördert.
Das typische, zähe Chinafett macht die RA-Achse recht schwergängig. Warscheinlich wird hier auch die Achse mit hoher Spannung ins Lager gepresst, um das oben erwähnte Spiel zu kaschieren. Das Lager wird aber dadurch entsprechend schwergängiger. Die Achsen werden mit Klemmhebeln festgesetzt, wie man es von der GP und allen Clones her kennt. Bei diesem Exemplar war im geklemmten Zustand in Deklination kein, in Rektaszension aber ein spürbares Spiel an der Schnecke festzustellen. Die Schnecken scheinen nur über eine Verschraubung der Lager im Langloch justierbar, was warscheinlich ziemlich knifflig ist. Genauer konnte ich das aber im Rahmen eines Kurzberichts nicht untersuchen.


Der Abstand zwischen Schneckenrad und Schnecke dürfte - wenn überhaupt - nur schwer justierbar sein

Insgesamt stellt die Montierung einen typischen GP-Clone dar. Ein 150/750 wird noch gut von ihr getragen, wobei die Montierung aber bereits im Bereich von etwas unter 2 Sekunden schwingt. Bei größeren Geräten wird es dann zunehmend wacklig.

Fazit: Die Montierung ist für Einsteiger mit kleinen bis mittleren Geräten ein guter Tipp. Für einen günstigen Preis erhält man eine recht stabile Montierung mit bequemer Motorisierung, die für visuelle Beobachtung sehr komfortabel ist und dabei für ein eventuell erwachendes Interesse an der Fotografie schon kleine Perspektiven bietet. Vielleicht lässt sich bei sorgfältiger Einstellung oder mit etwas bastlerischem Nachbessern sogar ein 150/750 Newton fotografisch nutzen, allerdings stellt dies wirklich eine Obergrenze dar.
Als ich das oben abgebildete Exemplar benutzen konnte, stand übrigens noch nicht fest, unter welchem Namen diese Montierung erscheinen soll. Jetzt ist sie unter EQ EM 10 im Handel.
 

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