Der Merkurtransit 2016Ein Merkurtransit, nämlich der Vorübergang des Planeten Merkur vor der Sonnenscheibe, ist zumindest aus menschlicher Sicht ein eher seltenes astronomisches Ereignis. Es geschieht bis zu 14 mal pro Jahrhundert, so dass man ihn als Mensch immerhin mehr als einmal beobachten kann. Wenn das Wetter mitspielt, muss man nun von so manchem Ort der Welt aus einschränkend hinzufügen. Immerhin tritt das Ereignis von jedem Punkt der Erde aus beinah gleichzeitig ein, bis auf wenige Sekunden Abweichung. Durchgänge im Mai sind seltener und dauern aufgrund der geringeren Bahngeschwindigkeit des Merkur länger, als jene im November. Die Durchgänge im November 2006 und im November 1999 fanden aber in Mitteleuropa nach Sonnenuntergang statt, so dass der letzte beobachtbare Merkurdurchgang jener im Mai 2003 war. Diesmal sollte das Ereignis recht genau 8 Stunden und 30 Minuten dauern. Mit dem Eintritt war gegen 11:12 Uhr UT, also 13:12 Uhr MESZ zu rechnen. Gegen 18:42 UT bzw. 20:42 MESZ sollte der letzte Kontakt stattfinden. Ein Merkurdurchgang ist, im Gegensatz zu einem wesentlich selteneren Venusdurchgang, nicht mit einer Sonnenfinsternis-Brille zu beobachten. Merkur ist zu klein, um ihn ohne Vergrößerung zu erkennen. Es galt also, den Planeten und unser Zentralgestirn mit für die Sonnenbeobachtung geeigneten Teleskopen anzupeilen. Man benötigt also unbedingt einen Sonnenfilter. Die Beobachtung fand nahe der Sonnenuhr und des Horizontobservatoriums der Halde Hoheward statt.
Wie viele andere Sternfreunde auch hatte ich mir für den Termin einen Tag Urlaub eingeplant. Als kleine Besonderheit gelang es mir, eine Genehmigung zur Beobachtung nahe der astronomischen Sonnenuhr auf der Halde Hoheward in Herten zu erreichen. Der Aufbau unserer kleinen Gruppe begann um kurz nach 11 Uhr. Wir brachten zwei fotografische Teleskope und ein “Besucherteleskop” mit. Bei letzterem handelte es sich um einen klassischen Fraunhofer Refraktor, nämlich ein Vixen 80L auf einer GP-Montierung. Das Gerät wurde mit einem einfachen Okular zur Projektion auf einen entsprechenden Projektionsschirm eingesetzt. Hinzu kam ein Skywatcher Maksutov-Cassegrain 127/1500 mit Baader Astrosolar-Folie und ein Meade 127/952 Triplett ED Refraktor mit Lacerta LAC1 Herschelkeil, dem zugehörigen ND3-Kombi-Filter und einer 2,7x GD-Barlow. Der Gerätepark in der 2. Hälfte der Merkurpassage. Olli konzentriert bei einer Aufnahmeserie am Mak.
Das Wetter auf der Halde erwies sich als sehr klar, aber stürmisch. Mit starkem Wind ist in dieser exponierten Lage immer zu rechnen, an diesem 9. Mai allerdings brachte der Wind alle Geräte zum Wackeln. Entsprechend schwierig gestaltete es sich, die fotografischen Instrumente einsatzbereit zu machen. Die Belichtungszeiten mussten soweit wie möglich verkürzt werden. Der Sonnenrand wurde durch kräftiges Seeing (“Luftunruhe”) stark verzerrt. Der erste Kontakt entging mir, bzw. durch eine falsche Überlegung zur Bildumkehr fotografierte ich das falsche Segment der Sonne. Der zweite Kontakt mit dem durch die Auflösung des Teleskops bedingten Tropfenphänomen ließ sich hingegen schön ablichten: Der zweite Kontakt mit dem Tropfenphänomen im 127mm Refraktor.
Auch die Sonne selbst spielte mit. Sie zeigte eine große Fleckengruppe nahe der Sonnenmitte und zwei kleinere Fleckengruppen. Merkur geht im Mai durch seinen absteigenden Bahnknoten, läuft also real von links oben nach rechts unten über die Sonne. Durch die Bildumkehr des Refraktors (und die Kamera-Orientierung am Herschelkeil) erscheint er im Bild links unten. Sonnenbrandwetter! Bei tückischem wind Matthias (l.) als einziger mit adäquatem Sonnenschutz. Sonnencreme und Kopfbedeckung waren pflicht, störten nur manchmal bei der Bedienung des Equipments.
In den folgenden Stunden wanderte Merkur nun langsam über die Sonnenscheibe. Spätestens jetzt brauchten wir alle eine Kopfbedeckung als Sonnenschutz, Sonnencreme war schon längst aufgelegt. Der Wind kühlte tückisch und erst beim Anfassen fand man im Nacken die Stellen, wo die Sonnencreme zu dünn aufgetragen war... Einige Besucher betrachteten das vom 80L Refraktor projizierte Bild, in dem sich sogar schon die Granulation der Sonnenoberfläche erkennen ließ. Die größte Faszination übt bei solchen Gelegenheiten immer die Erkenntnis aus, wie klein sich ein ganzer Planet doch gegen die weiter entfernte und dennoch um soviel größere Sonne zeigt. Die Ausrichtung der Montierung war dabei ein Volltreffer. Die Sonne schien auf dem Projektionsschirm zu stehen und brauchte allenfalls alle Stunde mal eine Korrektur, während die fotografischen Instrumente andauernd nachgestellt werden mussten. Da am Tage der Polarstern nicht auszumachen ist, mussten alle Montierungen per Kompass und Dosenlibelle auf die Erdachse ausgerichtet werden. Das ist eben nur halbwegs genau. Die Projektion mit dem 80mm Refraktor ließ auf dem Schirm Details der Fleckengruppe und sogar die Granulation der Sonnenoberfläche erkennen. Der kleine Merkur ist auf halbem Wege zwischen Sonnenmitte und Sonnenrand unten zu erkennen.
Es begann nun eine praktisch achtstündige “Wartephase”. Merkur wanderte über die Sonnenoberfläche, und das Wetter verschlechterte sich, da von Südwesten her immer dichtere Zirren heranrückten. Ab 16 Uhr war die Beobachtung dadurch massiv gestört. Zum Glück ergaben sich immer wieder Lücken. Neben der Bewegung des Merkurs vor der Sonne, konnte man natürlich die Sonnenoberfläche studieren. Während die große Fleckengruppe sich mit der Zeit kaum veränderte, zeigte die kleinere Fleckengruppe in der Mitte der Sonne deutliche Aktivität. Veränderung der beiden mittigen Fleckengruppen 2543 (links) und 2542. Die Abstände der Einzelbilder erscheinen willkürlich, sie entsprechen Momenten guter Luftruhe oder Wolkenlücken.
Das Seeing und auch die Störung durch den böigen Wind variierten. Gegen 15:37h MESZ entstand die detailreichste Aufnahme mit dem 127mm Refraktor. Danach nahmen die Wolken immer mehr zu. Nach Osten hin hielt sich der sehr klare Himmel noch recht lang, aber die Sonne musste sich immer mehr durch Zirren zweier Ebenen hindurch kämpfen. Sie verschwand immer wieder völlig dahinter. Anblick gegen 15:37h MESZ. Klick auf das Bild lädt die Aufnahme in voller Auflösung (24MP, ca. 3 MB).
Für einige Minuten war durch die Zirren auch der Regenbogeneffekt einer östlichen Nebensonne zu sehen. Die dichten Wolken erzeugten merkwürdige Licht-Stimmungen. Für die Beobachtung des Merkurtransits war das natürlich ein Hindernis. Als Naturbeobachter kam man hingegen voll auf seine Kosten: “Schwarze Sonne” fiel mir spontan zu dieser seltsamem Wolkensituation ein.
Auch wenn sich weiterhin größere Lücken in den Zirren bildeten, so wurde es zum Ende des Transits doch noch eine Zitterpartie. Die Belichtung musste von 1/2000 Sek. bei 100 ASA auf 1/10 Sek. bei 1000 ASA angepasst werden. Die abgebildeten Bildausschnitte wurden nur wenig bearbeitet und man hat Mühe, dem Schatten von Merkur zu folgen.
Merkurs Schatten um den 3. und 4. Kontakt durch dichteste Zirren hindurch und mit starker Verzerrung durch Luftunruhe vor der tief stehenden Sonne.
Die Fotografie lief dadurch etwas hektisch ab. Wir schraubten an den Belichtungszeiten und noch 7 Minuten vor dem Ende des Transits sah es so aus, als würden und dritter und vierter Kontakt verborgen bleiben. Doch gerade noch rechtzeitig verschoben sich die Zirren so weit, dass man noch ein Wenig erkennen konnte. Fast verschämt zeigte sich die Sonne danach noch einmal kurz und schwach, dann schwand das Licht und einige Sonnenuntergangs-Fotografen auf der Halde wurden um das erhoffte Schauspiel betrogen. Der tatsächliche Sonnenuntergang fand hinter Wolken statt. Trotzdem hatte der Himmel dabei eine wilde Schönheit zu bieten. Kurz vor Ende des Transits: Durch diese dichten Zirren hindurch musste die Beobachtung des 3. und 4. Kontakts erfolgen.
Das Stimmungsbild zeigt im Vordergrund den klassischen 80mm f/15 Refraktor und als Detail in der Sucherhalterung den Filmdosen-Trick: Kodak Filmdosen haben einen undurchsichtigen Deckel und eine transparente Dose. Sie lassen sich in die meisten Halterungen für 6x30 Sucher einspannen. In der Mitte des Deckels mit einem Pinnwand-Picker durchstochen projiziert sich ein feiner Sonnenpunkt auf den transparenten Kunststoff der Dose. Ist die Sucherhalterung gerade oder justierbar, so landet der Punkt auch genau auf dem Spritzgrad am Dosenboden, wenn die Sonne im Bild ist. Ansonsten kann man mit einem Wasserfesten Stift auch die richtige Position des Lichtpunkts einkreisen. Das funktioniert sogar besser als ein Sucher mit Sonnen-Filterfolie, weil man so nicht einmal in Richtung Sonne blicken muss. Da der Dosen-Deckel etwas übersteht, ist die komplette Dose im Schatten. Bei uns begann Minuten nach dem vierten Kontakt der Abbau. Auch wenn die Sonne sich noch einmal gezeigt hätte, wären keine sinnvollen Aufnahmen mehr machbar gewesen. Die Ausrüstung wurde wieder verstaut, was einige Zeit in Anspruch nahm. Als das Gröbste gerade erledigt war, legte der Himmel nochmal eine Abschiedsvorstellung auf. Ein wunderbares Abendrot beleuchtete einen Teil der Wolken von unten. Abendrot-Stimmung auf Hoheward (klickbar für mehr Auflösung, ca. 0,5 MB).
Für uns war es eine spannende Beobachtung. Die widrigen Bedingungen gegen Ende des Transits konnten die Stimmung nicht schmälern und die besonderen Lichtsituationen rund um das Horizontobservatorium waren eine gute Entschädigung dafür. Der nächste Merkurtransit findet am 11 November 2019 von 13:35 - 19:04 MEZ statt. Von Mitteleuropa aus also nicht vollständig zu beobachten und mit weniger guter Wetterprognose bei ohnehin tief stehender Sonne, aber nichtsdestotrotz sicher wieder einen Blick wert. Schau’n wir mal! Gegen 14:11 Uhr war das Seeing trotz bereits erkennbarer Schatten der ersten Zirren noch gut. Am Sonnenrand (im Bild unten) ist eine weitere Fleckengruppe umgeben von aktiven Regionen zu sehen. (Klick für mehr Auflösung, 1,7 MB)
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