Das BW 30mm Ultrawide oder auch 30mm Astrolan UW3080
Rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft 2003 tauchte dieses neue 30mm Okular aus offenbar chinesischer Produktion auf dem Markt auf. Die Eckwerte 30mm Brennweite und 80° scheinbares Gesichtsfeld machen es recht interessant, sind aber auch nicht neu, sondern durch das bekannte 30mm Widescan schon länger am Markt vertreten. Im Preisbereich zwischen 130 und 150 Euro, als Sonderaktion allerdings auch zeitweilig für unter 100 Euro zu haben, ist dieses Okular eine sehr interessante Alternative. Unter dem Label Astrolan gibt es auch eine besondere Version mit abschraubbarer Augenauflage, unter der ein 49mm-Gewinde zum Vorschein kommt. Ideal für afokale Fotografie mit diversen Digitalkameras.
Der erste Blick soll der Verarbeitung gelten. Das ca. 600g schwere Okular sitzt in einem schwarz eloxierten Metallgehäuse mit einer Gummiarmierung. Anstatt einer Augenmuschel aus Gummi gibt es aber eine Augenauflage aus Metall, was in kalten Nächten sehr unangenehm ist. Zum Glück aber ist deren Aussenradius gleichbleibend, so daß man eventuell eine passende Augenmuschel finden kann. Dem schweren Okular fehlt ausserdem eine Sicherungsnut in der Steckhülse. Bei 2” Adaptionen mit nur einer Schraube ist die Klemmung doch recht unsicher. Die Innenschwärzung der Steckhülse ist ebenfalls nicht besonders gut gelungen. Die Lackschicht ist einfach zu dünn und der verwendete Lack ist nicht richtig matt. An kleinen “Aufhängstellen” zeigt sich, daß die Steckhülse aus Kupfer ist und nachträglich verchromt wurde. Das Filtergewinde wurde vor diesem Prozess gedreht. Als Folge davon sieht das Gewinde nicht mehr besonders sauber aus. In der Praxis gab es schwierigkeiten mit Astronomik 2” Filtern, während ein Lumicon DeepSky allerdings funktionierte. Für den Astronomik aber war das Gewinde schlicht zu eng. Hier kann der günstige Preis des Okulares leicht zum Bummerang werden, wenn ein vorhandener 2” Nebel-Filter für den 1,5 bis 2-fachen Preis nicht verwendet werden kann. 2” Steckhülse: keine besonders gute Innenschwärzung und Gewindeprobleme
Die Linsen tragen die typisch grüne Multivergütung, die sich in der Praxis leider nicht besonders kratzfest zeigte. Die grosse Augenlinse ist eben aufgrund ihrer Größe ein ziemlicher Schmutzfänger und es empfiehlt sich dringendst, diese nur kontaktlos zu reinigen. Die Vergütung ist nicht schlecht, allerdings zeigt sich bei Streulicht ein Reflex des eigenen Auges auf der Augenlinse, allerdings nicht sehr störend. Die Linsenkanten sind lt. Händlerangaben geschwärzt und soweit sich das durch äussere Betrachtung feststellen lässt ist diese Information richtig. Ebenfalls Herstellerangabe ist die Verwendung von Sonderglas mit hohem Brechungsindex für eine verbesserte Farbkorrektur. 5 Linsen sind in 3 Gruppen angeordnet. Eine 40,8mm durchmessende Feldblende reicht für 80° scheinbares Gesichtsfeld nicht ganz aus, es dürfte also eine leichte Verzeichnung vorliegen. Blick auf die Feldblende
Die erste Probe für das Okular war auch gleich ein Härtetest. Es musste sich am R200SS (Newton, 8” f/4) dem Vixen LV 30 (60° scheinbares Gesichtsfeld) stellen, sowohl mit als auch ohne Komakorrektor. Das Ergebnis war durchaus überraschend. Das BW wird nämlich eher für langbrennweitige Systeme empfohlen. So zeigte es bei f/4 auch eine gewaltige Unschärfe am Bildrand. Das Verhalten verdient aber eine genauere Betrachtung. Bei sorgfältiger Vermessung eines Sternfeldes zeigte sich sowohl mit als auch ohne Komakorrektor im Vergleich mit dem LV 30 ein identischer Schärfeverlauf, soweit eben der Vergleich mit dem kleineren Gesichtsfeld des LV 30 möglich war. 50° des Feldes sind scharf, dann wird die Sternabbildung zunehmend unschärfer. Nüchtern betrachtet also muß dem BW die gleiche tauglichkeit für kurze Brennweiten zugesprochen werden, wie sie das LV 30 geniesst. Lediglich ausserhalb von 60° ist die Sternabbildung sehr schlecht und ab 70° reicht die Abbildungsleistung auch für “grobe” Nebelstrukturen nicht mehr aus. Würde das Okular auf 60° abgeblendet, so hätte das LV 30 eben auch in der Disziplin “Subjektives Empfinden” einen schweren Stand. Nur die Schärfe auf der Achse ist beim LV ein wenig besser. Bei dieser praktischen Beobachtung zeigte sich dann aber auch, daß das LV 30 praktisch keine Probleme mit Reflexen des eigenen Auges hatte, und auch die gummigepolsterte Augenauflage des LV 30 macht es in einer kalten Nacht wesentlich angenehmer. Der nächste Einsatz des Okulars fand bei f/6 statt und zwar an einer 500mm Beroflex-Wundertüte und an zwei 200/1200 Dobsons. Hier muß man wirklich das ganze Gesichtsfeld als brauchbar bezeichnen. Der absolut scharfe Bereich vergrößert sich kaum, aber die Sternabbildung wird über das gesamte Feld deutlich besser. Mag für ausgedehnte Sternhaufen die Abbildungsqualität noch nicht für jeden ausreichen, so ist sie es doch für die Beobachtung ausgedehnter Nebelstrukturen. Der Einsatz einer 2x Barlow (GSO 2”) brachte verwunderlicherweise nur eine geringe Verbesserung der Abbildung. Am 12” F/4 Newton lieferte das Okular ähnliche Ergebnisse wie am R200SS. Hier wurde aber wiederum die GSO 2x Barlow und die 2x Powermate mit dem Okular kombiniert. Während das Ergebnis mit der GSO-Barlow auch hier zwar eine Verbesserung, aber keinen besonderen Erfolg zeigte, war das Ergebnis mit der Powermate erstaunlich. Hier zeigten sich über das ganze 80° grosse Bildfeld runde Sternabbildungen, die sich zum Rand hin zwar deutlich vergrösserten aber in nur wenig störendem Ausmaß. Leider ist wohl in Verbindung mit der 2” Powermate der Preisvorteil zu einem Nagler um 15mm dahin und die Kombination hätte einen schweren Stand im Vergleich mit dem 14mm Speers Waler, das wesentlich günstiger zu haben ist. Bei f/10 am C8 und am C11 hingegen war die Abbildung des Okulars nun bis zum Rand gut. Für die typischen SCs also würde ich jedem Interessenten für ein 31mm Nagler empfehlen, doch vorher mal einen Blick durch das BW 30mm zu werfen. Die Vergütung kann Reflexe nicht vollständig unterdrücken
Fazit: Meiner Meinung nach ist das BW 30mm Ultrawide für f/10 SC-Besitzer sehr zu empfehlen und weiterhin ein vielversprechendes Okular für Sternfreunde, die zum Beispiel mit den derzeit beliebten 200/1200 Dobsons eine Okularpalette für den Einstieg bzw. Aufstieg zusammenstellen. An schnelleren Newtons bleibt es eine Frage des persönlichen Geschmacks, ob man das Okular einsetzen möchte. Projekt Filtergewinde-Kompatibilitätstabelle: Welche 2” Filter passen zum Gewinde?
|