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Infrarot-Planetenfotografie
mit dem
Astronomik Planet IR Pro 807

Während der Marsopposition 2003 wurden viele Sternfreunde durch spektakuläre Bilder auf eine neue Aufnahmetechnik für Planetenfotos aufmerksam. Zur Jahrtausendwende hatte die Webcam die frühere, chemische Filmtechnik bei der Planetenfotografie abgelöst. Zunächst war die Infrarot-Empfindlichkeit moderner CCD-Sensoren eher ein Störfaktor, so dass Infrarot- und UV-Sperrfilter eingesetzt werden mussten. Spätestens bei jener Marsopposition zeigte sich aber, dass diese Eigenschaft auch ein ungeheurer Vorteil sein konnte: weil infrarotes Licht langwelliger ist, als sichtbares Licht, wird es nicht so stark in der Erdatmosphäre gebrochen und dadurch wird Infrarotlicht viel weniger durch Luftunruhe gestört. Mit einem IR-Passfilter konnten Planeten nun ohne großen Aufwand auch im Infrarotlicht aufgenommen werden und das auch bei schlechterem Seeing. Besonders beim tiefstehenden Mars gelangen so deutlich schärfere Aufnahmen.

Astro-taugliche Webcams wie die klassische Vesta Pro oder deren Nachfolger Toucam Pro enthalten einen IR-Sperrfilter, der im Original-Objektiv eingebaut ist. Beim Anschluß ans Teleskop wird das Objektiv entfernt und gegen einen Webcam-Adapter ausgetauscht, so dass der IR-Filter dann fehlt. Bei normalen Aufnahmen führt dann die Infrarot-Empfindlichkeit des CCD-Chips dazu, dass Infrarot-Licht das Bild verfälscht. Die meisten Linsenteleskope, und zwar nicht nur Achromaten, sondern auch viele Apos, können Infrarotlicht nicht zusammen mit dem sichtbaren Licht fokussieren. Das scharfe Bild des normalen, sichtbaren Lichts wird von einem unscharfen Infrarot-Bild überlagert. Aber auch bei Spiegelteleskopen oder den seltenen, bis ins Infrarot korrigierten Apochromaten, kann Infrarot-Licht stören, nämlich dann, wenn die Lichtbrechung in der Atmosphäre das Bild eines tiefstehenden Planeten mit einem versetzten Infrarotbild überlagert. Schon bei der visuellen Planetenbeobachtung kann man bemerken, dass ein tiefstehender Planet einen blauen Rand an der dem Horizont zugewandten Seite, und einen roten Rand auf der gegenüberliegenden Seite zeigt - oder umgekehrt, je nachdem wie das Teleskop das Bild umkehrt. Die Unterschiedliche Brechung von langwelligem roten und kurzwelligem blauen Licht in der Erdatmosphäre erzeugt diesen Effekt. Infrarotlicht ist davon ebenso betroffen und so wird das infrarote Bild noch stärker gegenüber dem blauen Bildanteil versetzt, weil infrarotes Licht noch langwelliger als rotes Licht ist. Das Infrarotlicht durchdringt außerdem die Farbfilter der Bayer-Matrix, mit dem der Farb-CCD-Chip die Farbe “erkennt”. Das Infrarote Licht stört dabei nicht nur den Rot-Anteil des Webcam-Bildes, sondern es scheint auch stark in den Blau-Anteil hinein, weil die Blaufilter normaler Farb-CCD-Chips zwar rotes und grünes Licht blockieren, aber für Infrarotlicht bereits wieder durchlässig sind.


Blauer Farbkanal einer Venus-Aufnahme ohne UV/IR-Sperrfilter.
Nach rechts unten versetzt ist ein schwächeres IR-Bild zu sehen.

Bei normalen Webcam-Aufnahmen ist das Infrarotlicht also sehr störend, selbst wenn man ein “farbreines Teleskop” verwendet. Es muss also ein Infrarot-Sperrfilter verwendet werden. Normalerweise benutuzt man einen kombinierten UV/IR-Cut-Filter, der auch UV-Licht blockiert, das ähnlich störend wie Infrarot-Licht ist. UV, also ultraviolettes Licht, ist quasi das Pendant zu infrarotem Licht auf der gegenüberliegenden Seite des Farbspektrums: Ultraviolettes Licht ist kurzwelliger als violettes Licht, während infrarotes Licht langweilliger als rotes Licht ist. UV und IR sind für das menschliche Auge aber unsichtbar, nur die CCD-Chips moderner Kameras können dieses Licht “sehen” - auch wenn das meistens gar nicht gewollt ist.
Bei einigen Webcams, zum Beispiel von Logitech, die dank vergleichbarerer CCD-Chips ähnlich gut wie die Phillips-Modelle zur Planetenfotografie geeignet sind, ist der IR-Sperrfilter allerdings auf dem Schutzglas des CCD-Chips angebracht. Lässt sich der Filter nicht entfernen, so wird die Kamera nicht für IR-Fotografie zu gebrauchen sein.

Was aber macht IR-Aufnahmen von Planeten derart interessant? Im Prinzip ist Infrarot so etwas wie eine Farbe, die der Mensch nicht sehen kann. Unser Nachbarplanet Mars nun zeigt in dieser “Un-Farbe” deutlichere Strukturen, als im normalen Licht. Aber das ist nicht das eigentlich interessante. Es sind die Eigenschaften des Infrarot-Lichts, die es so interessant machen. Weil infrarotes Licht langwelliger ist, als “normales” Licht, wird es nicht so stark in der Erdatmosphäre gebrochen und dadurch wird Infrarotlicht viel weniger durch Luftunruhe gestört. Die Luftunruhe nimmt dabei gegnüber dem Anstieg der Wellenlänge mit der vierten Potenz ab. Das heißt wenn die Lichtwellenlänge vedoppelt wird, reduziert sich die Lichtstreuung durch Seeing auf ein Sechzehntel. Der Effekt kann schon im sichtbaren Licht mit einem Rotfilter bemerkt werden. Ein Kantenfilter wie der RG 630 lässt nur Licht mit mehr als 630nm Wellenlänge passieren. Gegenüber grünem Licht mit 500nm Wellenlänge sind das also über 25% mehr Wellenlänge und das Seeing nimmt schon um 60% ab.
Mit zunehmender Wellenlänge reduziert sich auch die Auflösung des Teleskops, allerdings linear mit der Zunahme der Wellenlänge. Bei 25% mehr Wellenlänge gibt es also 25% Auflösungsverlust gegenüber einem 60% kleineren Streukreis durch Seeing. Sobald das Seeing also grünes Licht so stark stört, dass es das Teleskop 25% Auflösungsverlust kostet, ist das rote Bild schärfer, als das grüne. Bei Teleskopen mit mehr als 6 Zoll Öffnung ist das fast immer der Fall und nur bei Ausnahme-Bedingungen (“stehende Luft”) würde das Bild im Grünen schärfer sein, als das rot gefilterte Bild.
Im Prinzip beginnt die Infrarot-Astronomie also schon im Bereich tiefroten Lichts mit Kantenfiltern wie dem RG 630 oder dem RG 650. Ein RG 685 liegt schon sehr nah an der Grenze des sichtbaren Lichts, die etwa bei 700nm liegt. Er lässt für das Auge noch etwas tiefrotes Licht durch. Ab 700nm beginnt dann das nahe Infrarot (NIR), das also “nahe am sichtbaren Licht” liegt. Normale CCD-Chips sind in diesem Bereich bis etwa 1000nm Wellenlänge empfindlich, so dass der für Amateure nutzbare IR-Bereich also zwischen 700nm und 1000nm liegt. Monochrom-CCD-Chips sind übrigens gegenüber Farb-CCDs im Vorteil, weil diese Sensoren keine Farbfilter haben, die das Infrarot-Licht abschwächen würden. Wer mit einem Farb-CCD und Infrarot-Passfilter Aufnahmen macht, wird feststellen, dass das Infrarot-Licht unterschiedlich stark die Farbfilter durchdringt. Bei den verbreiteten Sony-CCD-Chips sind meistens die blauen und roten Pixel gut infrarot-empfindlich, während die grünen Pixel ein deutlich dunkleres Bild liefern. Bei Farb-CCD-Chips anderer Hersteller kann das anders sein, wenn andere Farbstoffe für die Bayer-Matrix verwendet wurden. Allen gebräuchlichen CCD-Chips, egal ob monochrom oder farbig, ist jedoch gemeinsam, dass ihre Empfindlichkeit im Infrarot-Bereich stark abnimmt.


Der Astronomik Planet IR Pro 807 öffnet sich erst oberhalb von 800nm Wellenlänge.

Die im Infrarot-Bereich geringer werdende Empfindlichkeit der CCD-Chips führt dazu, dass gegenüber Aufnahmen im normalen Licht länger belichtet werden muss. Es ist daher sinnvoll, einen zur Teleskopöffnung passenden IR-Passfilter zu wählen. Teleskope mit kleiner Öffnung können eher von einem RG 630 profitieren, zumal Öffnungen unter 100mm wegen ihrer geringen Auflösung auch nur wenig vom Seeing beeinträchtigt werden. Mit größerer Öffnung kann man sich dann an die “tieferen” Filter heranwagen, also den RG 685 oder den IR Pro 742. Der IR Pro 807 lässt erst IR-Licht mir mehr als 800nm Wellenlänge passieren, während die Empfindlichkeit der CCD-Sensoren nur bis 1000nm reicht. Die Belichtungszeiten mit dem IR Pro 807 verlängern sich etwa um Faktor 10 gegenüber normalen Farb-Aufnahmen. Ein solcher Filter lohnt also kaum für Teleskope unter 8” Öffnung. Für Saturn, der ja eine deutlich geringere Helligkeit als Mars, Jupiter, Merkur und Venus hat, sind sogar mehr als 8” Öffnung nötig, um den Ringplaneten in akzeptabler Größe abzulichten. Bei 12” Öffnung und 4m Brennweite wird das Licht schon knapp und die Toucam Pro muss auf die maximale Belichtungszeit von 1/25 Sekunde eingestellt werden.
Refraktor-Besitzer müssen noch weitere Überlegungen anstellen. Die für Amateure erhältlichen IR-Passfilter sind allesamt Kantenfilter, dass heißt RG 630, RG 685, IR Pro 742 und IR Pro 807 lassen jeweils ab der angegebenen Wellenlänge Licht bzw. IR-Licht passieren, und die CCD-Sensoren begrenzen die nutzbare Bandbreite bei etwa 1000nm. Das bedeutet aber, dass bei Verwendung eins RG 685 Licht zwischen etwa 680nm und 1000nm in den Fokus gebracht werden muss, und wie schon erwähnt, sind nur wenige Apos auch für IR-Licht korrigiert. Bei normalen Achromaten ist keine ausreichende Farbkorrektur im IR-Bereich zu erwarten.
Auch Barlow-Linsen und Projektionsokulare, die am Spiegelteleskop verwendet werden, um die Effektivbrennweite zu steigern, können so an ihre Grenzen kommen und es lässt sich schlecht vorhersagen, ob ein störender Farblängsfehler im Infrarotbereich auftritt.

In der Praxis zeigte sich dann, dass zumindest die TeleVue 3x Barlow gut zusammen mit einem Infrarotfilter verwendet werden kann. Am 15.2.2007, Kurz nach der Saturnopposition, gab es eine Gelegenheit, den Astronomik Planet IR Pro 807 an Saturn zu testen. Die Bedingungen waren etwas über dem Durchschnitt, so dass der 12” f/4 Newton stark durch Seeing eingeschränkt wurde. Die Aufnahmen wurden mit der Toucam Pro gemacht und mit der TeleVue 3x Barlow ergaben sich 3,6m Effektivbrennweite. Die normale Farbaufnahme mit  UV/IR-Sperrfilter ist dementsprechend mäßig:.


Saturnaufnahme mit IR-Sperrfilter.

Der IR-Pro 807 verlängerte dann bei ansonsten gleichem Aufbau (natürlich ohne IR-Sperrfilter) die Belichtungszeit von 1/250 auf 1/33 Sekunde. Das Ergebnis aber spricht für sich:


Saturnaufnahme mit IR Pro 807 anstelle des IR-Sperrfilters.

Die bessere Schärfe des Bildes fällt sofort ins Auge. Im Infrarotlicht ist außerdem der Saturnring deutlich heller, als im sichtbaren Licht. Saturn ist anders geneigt, weil die Webcam nach dem Umbau etwas anders eingesteckt wurde.
Das aus der IR-Aufnahme entstandene Schwarzweißbild ist zwar scharf, sieht ohne Farbe aber etwas trist aus.  Um dieses Manko zu beheben, kann man nun das normale (und leider schlechte) Farbbild mit dem IR-Bild kombinieren. Das macht man, indem man mit einer Bildbearbeitungssoftware das IR-Bild als Luminanzkanal verwendet und die Farbinformation aus der normalen Farbaufnahme holt. Natürlich müssen die beiden Bilder vorher genau zur Deckung gebracht werden. Als Ergebnis erhält man ein Farbbild mit der Schärfe und den feinen Details aus der IR-Aufnahme:


Farbbild und IR-Bild kombiniert.

Das Bild kann sich, insbesondere gegenüber dem normalen Webcam-Bild, durchaus sehen lassen. Der gegenüber der Planetenscheibe aufgehellte Ring weist noch auf die verwendete IR-Aufnahme hin.
Die Grenzen des IR-Filters zeigten sich aber am 11.3.2007. An diesem Abend gab es über mehrere Stunden das erwähnte “Ausnahme Seeing”. Bis zu 400-fache Vergrößerung war visuell möglich. Die normale Farbaufnahme ist der IR-Aufnahme sehr ähnlich, lediglich der im IR hellere Ring hebt sich besser von der Planetenscheibe. Die anderen Unterschiede im Bild, die dunklere Polregion und die im IR hellere Bauchbinde, sind einfach auf das veränderte Aussehen Saturns im IR-Bereich zurückzuführen.


Bei gutem Seeing werden die Unterschiede zwischen Normalbild (l.) und IR-Aufnahme (r.) deutlich geringer.

Der Astronomik Planet IR Pro 807 war also bei “normalem” Seeing sehr überzeugend und verbesserte das Bild erheblich. Bei sehr gutem Seeing ist dann, wie zu erwarten, kein Detailgewinn gegenüber dem normalen Farbbild möglich. Immerhin liefert der Filter aber eine “andere Ansicht” Saturns, eben ein Infrarotbild, mit anders betonten Details. Die ebenfalls wieder verwendete TeleVue 3x Barlow hat dem IR-Bild dabei offensichtlich nicht geschadet. Selbst bei guten Bedingungen kann man also diese Barlow zusammen mit einem IR-Passfilter verwenden.

Interessant ist natürlich auch ein Blick auf die Transmissionskurve des IR Pro 807. Der Filter sperrt zwischen 400 und etwa 800nm. Sichtbares Licht wird praktisch vollständig geblockt. Der Durchlaßbereich beginnt etwa bei 780nm und ab 807nm erreicht der Filter deutlich über 95% Transmission. Auffällig ist jedoch, dass der Filter auch einen deutlichen Anteil UV-Licht passieren lässt, mit einem Peak bei ca. 380nm, wo der Filter über 70% Transmission hat. Betrachtet man sich die Fläche unter der Kurve, dann ist der Anteil an UV-Licht schon spürbar, nämlich 11% der Gesamttransmission. Gleicht man dies mit den Empfindlichkeitskurven des Toucam Chips ICX098BQ ab, so ist vor allem für die blauen Pixel eine schwache Beeinflussung (unter 10% Helligkeitsanteil) durch die UV-Transmission zu erwarten, während rote und grüne Pixel kaum empfindlich für UV-Licht sind. Beim SW-Pendant desselben Chips (ICX098BL) stört die UV-Transmission stärker, sie dürfte geschätzte 16% Helligkeitsanteil betragen.
Die Bilder zeigen, dass die unmodifizierte Webcam mit Farb-CCD sich nicht merklich durch UV-Licht beeinflussen lässt.

Die Ergebnisse mit dem IR Pro 807 sind gut, und da der Preis günstig ist, ist er für Planetenaufnahmen mit größerer Öffnung sehr interessant. Saturn und Jupiter stehen in den nächsten Jahren von Mitteleuropa aus ungünstig tief. Daher wird man von der geringeren Luftunruhe im IR-Licht sehr gut profitieren können. Je besser aber das Seeing ist, umso kleiner fällt der Unterschied aus. Bei optimalem Seeing wirkt dann nur noch die schlechtere Auflösung des Teleskops im IR-Licht, so dass der IR-Passfilter keine Vorteile bietet.
Bei 8” Öffnung relativiert sich der Nutzen der IR-Filterung bereits sehr stark. Saturn, als lichtschwaches Vergleichsobjekt, zeigte bei Aufnahmeserien mit unterschiedlichen IR-Filtern kaum Unterschiede. Eine “glückliche Hand” bei der Fokussierung schien wesentlich effektiver zu sein:


Saturn bei 8” Öffnung und mäßigem Seeing, von Links: UV/IR-Cut, B+W 8x Dunkelrot (=BG630), IR 742, IR 807,
alle am 15.3.2007, R200SS (8” f/4), TeleVue 3x, Toucam Pro, 20% aus ca, 3000 Einzelbildern.

Weitere Erfahrungen und Ergebnisse werden folgen...


An diesem Artikel wirkten außerdem mit:
- Matthias Müller: lieferte wertvolle Vorschläge zu Aufbau und Gestaltung des Artikels.
- Christian Brinkmöller: spannte den Filter ins unbestechliche Spektrometer.

Herzlichen Dank für Eure Hilfe.

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